fxck beauty standards
DEKONSTRUKTION DES NORMKÖRPERS
Fotoausstellung ab 6. Dezember an der Hausfassade der Kulturetage
In diesem besonderen Jahr haben wir uns einmal mehr mit Self-Care und der eigenen Körperwahrnehmung in Zusammenhang mit digitalen Medien auseinandergesetzt. Soziale Netzwerke sind Schauplatz geltender Körpernormen und dienen vielen Menschen als Bestätigung des Selbstbildes. Obwohl immer mehr “normale” Körper Einzug auf Instagram erhalten, bleibt frau auf ihre Äußerlichkeit reduziert. Objektifizierung ist ein strukturelles Problem, was wiederholt durch Geschlechterklischees in der Produktgestaltung bestätigt wird. Die Barbie stand einst für den plastikgewordenen Hetero-Cis-Mann-Traum und obwohl sie sich inzwischen durch eine breit angelegte Diversitätsoffensive von diesem Image freizumachen bemüht, sind es jene Sondereditionen, welche die Regel der weißen und gertenschlanken Puppe bestätigen.
In Kooperation mit Annika Dühnen von Handgemacht Oldenburg, haben wir Künstler:innen gebeten, die Barbie zu empowern, um ihr oder vielmehr unser aller Selbstverständnis von Weiblichkeit auf den Kopf zu stellen. Aufgrund des Veranstaltungsverbotes in Zusammenhang mit COVID-19 ist es uns leider nicht möglich, die Werke auszustellen. Dies war ursprünglich für den Handgemacht Wintermarkt im Dezember geplant. Wir freuen uns dennoch riesig, die Exponate an der Hausfassade der Kulturetage präsentieren zu können! Alle Werke wurden von Bonnie Bartusch fotografiert. Miriam Duwe hat uns beim Layout dieser Broschüre unterstützt.
Ulrike Schroer, Projektleitung
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Gabriele Blöchl
Atelier FindeKunst
ENBY BLOSSOM
Kyra Münniks
Kunststudentin
„we ain't no barbie girls“
Wir sind in unserem Alltag umgeben von schönen Menschen, in Zeitschriften, auf dem Smartphone oder in Serien und Filmen. Daran haben wir uns schon lange gewöhnt. Wir sehen kaum Körper, die nicht den gängigen Idealen entsprechen. Jedoch ist dieses medial propagierte Körperbild so weit normiert und abstrahiert worden, dass es in Wirklichkeit kaum mehr zu erreichen ist. Weniger als zehn Prozent aller Menschen sehen so aus, wie es in sozialen Medien und Massenmedien als ultimatives #goal (engl: Ziel) präsentiert und als vermeintlich “perfekt” betitelt wird. Und dennoch sind es diese stereotypen Beispiele, welche viele Menschen als Kompass für ihr eigenes Körperbild wahrnehmen.
Dies hat nicht nur auf das Selbstwertgefühl negative Auswirkungen, sondern auch auf Liebesbeziehungen und Sexualitäten, auf die ganz individuelle Gesundheit, auf Arbeitsplatzchancen und die Wohnungssuche sowie das Bild, welches wir von “Leistung” und “Erfolg” haben. Unser Äußeres und das Nicht-erfüllen von Schönheitsnormen hat Einfluss auf gesellschaftliche Teilhabe. Diese Form der Diskriminierung heißt Lookismus und kreuzt andere “-ismen” wie Rassismus und Sexismus.
„dort passen einfach nicht alle hintern drauf“
Schönheitsideale unterliegen einem bestimmten Markt, einer Industrie und immer auch dem Wandel der Zeit. Alle Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Voraussetzungen und Privilegien. Manche möchten sich ein Label, einen Stempel geben, andere nicht. Jede Person sollte über ihren eigenen Körper und die damit einhergehenden Veränderungen selbst bestimmen können. Dies gilt ebenso für Gewicht, Gender Expression (engl. Geschlechtsausdruck), Körperschmuck, Tattoos oder operative Eingriffe sowie für den Kleidungsstil oder die Kinderplanung. Gleichzeitig beobachten wir Trendbewegungen in sozialen Netzwerken, aber auch in sog. Frauenzeitschriften, die eigentlich dazu aufrufen möchten, den eigenen Körper wertzuschätzen und lieben zu lernen. Dies kann jedoch schnell in Druck oder Zwang umschwenken, wenn Nutzer:innen eingetrichtert wird, sich endlich selbst lieben zu “müssen”, bevor sie überhaupt von anderen gemocht werden können. Zwang und Absolutismen sind nie der richtige Weg – schon gar nicht, wenn Strömungen wie #bodypositivity von überwiegend weißen und able-bodied (nicht be:hinderten) Personen repräsentiert werden, obwohl die Bewegung ursprünglich von mehrgewichtigen Frauen* of Colour auf politischer Ebene angestoßen wurde. Wir leben in einem Alltag, in welchem der Körper strukturell diskriminiert wird. Das bedeutet, dass auf politischer Ebene Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Körper mitgedacht werden und welche ausgeschlossen werden. Bus- oder Flugzeugsitze sowie Stühle in der Schule und im Büro haben eine gewisse Breite. Dort passen einfach nicht alle Hintern drauf. Genauso gibt es in der Modeindustrie eine Be:hinderungs- und Gewichtsdiskriminierung. Es fehlen vergleichbare Kleidungsstücke in kleinen und großen Größen, für Rolli-Fahrer:innen und Abbildungen nicht normschöner Körper in Zeitschriften und Medien. Wer keine Idealmaße hat, muss abwertende Blicke und Beleidigungen ertragen. Insbesondere weiblich gelesene Menschen sind vom Diktat der Beauty- und Modeindustrie betroffen sowie dem Fokus gesellschaftlicher Normen ausgesetzt. Wir sagen: Schluss damit!
Die Barbie versinnbildlicht das geltende Ideal eines Frauenkörpers, u.a. weiß, jung, ohne sichtbare Be:hinderung, volle Haare, große Augen, winzige Taille, glatte Haut, fehlende Körperbehaarung sowie in einer heterosexuellen Beziehung zu Ken (auf dem engstirnige Männlichkeitsbilder lasten). Schnell vergessen wir, dass die Barbie weder aufrecht stehen kann noch Platz für alle Organe zu haben scheint oder keine sichtbare Vulva-Imitation aufweist. Das plastikgewordene Ideal einer weißen Frau wäre schlichtweg nicht lebensfähig, wenngleich die “Barbie Fashionistas” Serie des Herstellers der Puppe immer mehr Diversität und “Integration” zugesteht.
„die exponate sind sowohl gesprächsinhalt als auch gegenstand der kunst“
Die Ausstellungsergebnisse stimmen nachdenklich und laden Besucher:innen ein, das eigene Selbstbild und geltende Körpernormen zu hinterfragen. Die Exponate sind sowohl Gesprächsinhalt als auch Gegenstand der Kunst. Es geht um Repräsentation und Sichtbarkeit sowie um die Störung unserer Sehgewohnheiten. Wir haben mit der Barbie gearbeitet, ihre Werte herausgefordert und dekonstruiert, sie in den Mittelpunkt unserer Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen gesetzt und uns gefragt: Wie kann eine Barbie repräsentativ für alle Körper sein? Spoileralarm: Sie kann es nicht. Wir schlagen Alternativen vor, Schönheitsnormen zu hinterfragen, sichtbar zu machen und zum Gespräch einzuladen.